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Jessica Härtel für die Region Rhein/Main

Wenn Worte bleiben dürfen.

„Wer das Ziel nicht kennt, wird durch Tempo nicht schneller ankommen. Zuhören gibt Richtung. Nicht Beschleunigung.“

Drei Jahrzehnte lang habe ich im internationalen Personalwesen gearbeitet – in einem Umfeld, das auf Tempo, Leistung und Effizienz ausgelegt war. Ich war mittendrin: zwischen Strategien, Strukturen, Entscheidungsprozessen. Zwischen Karrierewegen und Lebensläufen. Ich habe Menschen begleitet, beraten, vermittelt – auch, wenn sie nicht weiterwussten.

Doch mit den Jahren wurde mir klar: Viele bewegten sich schnell. Aber nicht alle wussten, wohin. Und auch ich selbst hatte mich irgendwann zu weit entfernt vom eigentlichen Kern meiner Arbeit: den Menschen. Ihren Geschichten. Ihren Fragen. Ihrer Würde.

Heute höre ich zu – nicht mehr im Dienst eines Systems, sondern im Dienst des Lebens.

Als freie Rednerin und biografische Wegbegleiterin gestalte ich Zeremonien für Übergänge – für Abschiede, Anfänge und Umbrüche. Für Menschen, die zurückblicken oder sich neu ausrichten wollen. Für Situationen, in denen Worte Halt geben müssen, weil alles andere fehlt.

Was mich dabei trägt, ist das Zuhören. Nicht als Technik, sondern als Haltung. Als Einladung, sich zu zeigen. Und als Vertrauen, dass jede Geschichte ihre eigene Würde hat.

Es gab Momente in meinem Leben, in denen mir Zeit und Raum entglitten. Unter anderem war ich zweimal monatelang auf der Neonatologie – eine Welt, in der das Leben sich verdichtet. Wo alles stillzustehen scheint und doch jede Sekunde zählt.

Dort begegneten mir Leben im allerersten Anfang – Babys, die um ihr Leben kämpften. Sie hatten keine Sprache, keine Worte. Und doch war in ihrem Dasein alles enthalten: Nähe, Würde, Kraft. Ihre Stille sprach lauter als Worte.

Dieser Würde begegne ich auch heute noch – in Gesprächen mit Menschen, die an jenem Punkt stehen, wo das Leben leiser wird.

„Sie konnten noch nicht sprechen. Aber in ihrer Haltung lag mehr Sprache, als viele Worte je sagen könnten. Wer so zuhört, versteht das Leben neu.“

Diese Erfahrung prägt meine Arbeit bis heute. Denn sie hat mir gezeigt, dass es eine Form von Sprache gibt, die keiner Worte bedarf – und dass echtes Zuhören oft beginnt, bevor überhaupt etwas gesagt wird.

Ob in einer Zeremonie oder in einem biografischen Gespräch: Ich nehme die Geschichte, wie sie ist. Ich gestalte sie, wenn gewünscht – aber ich deute sie nicht um.

„Manchmal ist das größte Geschenk, eine Geschichte nicht zu verändern. Sondern sie einfach da sein zu lassen.“

Zeit zum Zuhören bedeutet für mich: Menschen mit Respekt begegnen. Raum geben für alles, was gesagt – oder eben nicht gesagt – werden will. Zuhören, um zu verstehen. Sprechen, um zu berühren. Und gemeinsam innezuhalten, bevor das Leben weitergeht.

Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.

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